MSK – Muskuloskelettale Physiotherapie 2025; 29(02): 120
DOI: 10.1055/a-2509-3043
Buchbesprechung · Veranstaltungen
Perspektivwechsel

Hands-off in der Physiotherapie

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Luomajoki H, Schwertfellner C. Hrsg. Hands-off in der Physiotherapie. Schmerzedukation, Kommunikation, Soft Skills und Behandlungsansätze. Thieme 2025; 360 S.; 73,00 €

In einer Zeit, in der die Physiotherapie nach wie vor stark von klassischen manualtherapeutischen Konzepten und biomechanischen Behandlungsideen geprägt ist, wagen Hannu Luomajoki und Christoph Schwertfellner mit „Hands-off in der Physiotherapie“ einen wichtigen Perspektivwechsel. Das Werk widmet sich den oft vernachlässigten, aber essenziellen Aspekten des Clinical Reasoning, den physiotherapeutischen Denkmodellen und der Berufsethik sowie der therapeutischen Beziehung jenseits der körperlichen Intervention. Der Untertitel des Buches fasst die weitere Ausprägung dieses neuen Grundlagenwerks prägnant zusammen: Schmerzedukation, Kommunikation, Soft Skills und Behandlungsansätze.

Das Buch gliedert sich in 5 logisch aufeinander aufbauende Hauptkapitel: Von den psychologischen Grundlagen (Das Warum) über kommunikative Grundlagen (Das Wie) und Klassifizierung der Patient*innen (Das Wer) bis hin zu praktischen Anwendungen (Die Praxis) bietet es eine große Dichte an Informationen zu modernen Denk- und Behandlungsmodellen. Seinen Abschluss findet das Werk in einer Vorausschau auf zukünftige Entwicklungen (Der Ausblick). Diese Struktur ermöglicht es den Lesenden, sowohl das theoretische Fundament zu verstehen als auch dessen praktische Umsetzung nachzuvollziehen. Jedes Unterkapitel endet mit einem ausführlichen Literaturverzeichnis, das zur Vertiefung einlädt. Die einzelnen Beiträge sind durchgängig durch geeignete Grafiken und Tabellen sowie Merksätze ergänzt, um Informationen verständlich zu machen.

Besonders hervorzuheben sind die berufssoziologischen und -ethischen Kapitel von Sven Ringel, die eine überfällige Erweiterung der oft eindimensionalen Akademisierungsdebatte in der deutschen Physiotherapie darstellen und hiermit in einem Buch für Praktiker*innen im deutschen Sprachraum eine Seltenheit sind. Auch die Abschnitte zur Klassifizierung der Patient*innen und Subgruppierung sowie zur Berufspraxis überzeugen, besonders vor dem Hintergrund der zunehmenden Relevanz chronischer muskuloskelettaler Erkrankungen und Schmerzprobleme. So werden gängige und gleichsam wirksame Ansätze, wie die psychologisch informierte Physiotherapie oder die Akzeptanz- und Commitment-Therapie, ebenso vorgestellt wie Kommunikationsstrategien und Fragebögen.

Das Buch schafft es, komplexe Konzepte durch konkrete Fallbeispiele und Handlungsempfehlungen praxisnah aufzubereiten. Dabei wird deutlich, dass Physiotherapeut*innen zwar häufig über einen gut gefüllten „Werkzeugkoffer“ an Therapiekonzepten verfügen, die zwischenmenschlichen Fähigkeiten und „Soft Skills“ jedoch nicht die gleiche Aufmerksamkeit erhalten – weder in Aus- noch Fortbildung. Diese Lücke wird hier klar adressiert und verschiedene Ansätze, diese zu schließen, vorgestellt.

Das Buch hat das Potenzial, sich als Grundlagenwerk in der physiotherapeutischen Ausbildung und im Studium zu etablieren, und bietet erfahrenen Therapeut*innen die Möglichkeit, sich über moderne Konzepte zu informieren und diese in ihre Praxis zu integrieren. Besonders wertvoll erscheint das Werk für Praktiker*innen, die sich in festgefahrenen Behandlungsbeziehungen wiederfinden, da es Wege zur professionellen Abgrenzung aufzeigt und neue Perspektiven der Kommunikation und Behandlung eröffnet.

Mein Fazit: „Hands-off in der Physiotherapie“ schließt eine wichtige Lücke in der deutschsprachigen Fachliteratur. Trotz einiger kleiner formaler Schwächen bietet das Werk einen umfassenden und wertvollen Einblick in die nicht-physikalischen Aspekte der Physiotherapie. Es regt zur Reflexion der eigenen Berufspraxis an und liefert konkrete Ansätze zur Weiterentwicklung der therapeutischen Kompetenzen jenseits der rein körperlichen Behandlung.

Maximilian Weidauer, BSc, Physiotherapeut in einer Leipziger Praxis für Handtherapie, Dozent für Manuelle Therapie (DIGOTOR)



Publication History

Article published online:
15 May 2025

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